Psychiatrie

Wissenschaftliche Publikationen sind Teil unserer Forschungsarbeit. Die Veröffentlichung unserer Forschungsergebnisse ist uns wichtig, damit die wissenschaftliche Gemeinschaft darauf zugreifen, darüber diskutieren und zitieren kann. Hier führen wir einen Auszug unserer aktuellen Publikationen an. 

 

PUBLIKATIONEN / STUDIENERGEBNISSE

COVID-19

Durch die Pandemie sind Menschen mit psychischen Erkrankungen, insbesondere bipolarer und unipolar depressiver Erkrankung psychisch stark belastet. Dies zeigt sich besonders durch Symptome von Angst, Depression und Stress. Das Alter, sozioökonomische Gegebenheiten, soziale Unterstützung, die eigene Resilienz sowie die Art und das Ausmaß von pandemiebezogenen Informationen sind hierbei wesentliche Einflussfaktoren (Fleischmann et al., 2021). Die Ergebnisse unserer Online-Erhebung zeigten, dass Menschen mit bipolarer Erkrankung im ersten Lockdown im April 2020 eine erhöhte Depressivität und mehr Stress durch das Social Distancing aufwiesen als gesunde Kontrollpersonen. Zudem berichteten sie weniger Sport zu betreiben als vor der Pandemie, Gewicht zugenommen zu haben und weniger effizient zu sein (Sperling et al., 2021; Ortner et al., 2022). Je mehr sich Menschen mit einer bipolaren Erkrankung in dieser Zeit über pandemieassoziierte Geschehnisse informierten und je mehr Ängste sie diesbezüglich hatten (über das Virus generell, eine eigene Infektion oder andere anzustecken), desto schlechter war auch der Schlaf in der Zeit nach dem Lockdown (Fellendorf et al., 2021). Insgesamt litten bipolare Menschen zwar während des ersten Lockdowns vermehrt an Somatisierung, also körperlichem Leiden ohne körperliche Ursache, jedoch regulierte sich dies nach wenigen Wochen wieder (Dalkner et al., 2021). Eine Multicenter-Erhebung mit Deutschland und Dänemark zeigte darüber hinaus, dass Menschen mit bipolarer Erkrankung seit der Pandemie über mehr körperliche Begleiterkrankungen und mehr Sorgen über ihren körperlichen Gesundheitszustand als gesunde Kontrollproban*innen berichteten (Sperling et al., 2021). Zudem war das Social Distancing vermehrt mit Gefühlen von Angst und Stress sowie eine schlechtere Schlafqualität assoziiert, dies zeigte sich weniger bei psychisch gesunden Menschen (Dalkner et al., 2022). Dieser vermehrte Stress blieb über den gesamten Zeitraum von 2020 bis 2021 bestehen (Schönthaler et al., 2022).

In einer systematischen Literaturrecherche wurden 24 Studien gefunden, die Impfungen generell bei schweren psychischen Erkrankungen untersucht haben. Da die untersuchten Gruppen sowie Infektionserkrankungsbilder sehr unterschiedlich waren, lassen sich wenig Schlüsse aus der Recherche ziehen, außer, dass mehr Forschung auf diesem Gebiet notwendig ist, da es Hinweise gibt, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für eine Infektion und einen schweren Verlauf von Infektionserkrankungen haben (Bonkat et al., 2021). Nur fünf Studien wurden bisher durchgeführt, die das Impfansprechen bei Menschen mit bipolarer Erkrankung untersucht haben (Reininghaus EZ et al., 2022). Im Bezug auf die Impfbereitschaft generell fanden wir eine größere Skepsis bei Menschen mit bipolarer Erkrankung; jedoch wurden keine Unterschiede in dem Wunsch nach einer Impfung gegen Covid-19 gefunden (Fellendorf et al., 2022).


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PROBIOTIKA FORSCHUNG

Das Mikrobiom ist bei der bipolaren Erkrankung vermutlich verändert; so zeigten sich Zusammenhänge von der Krankheitsdauer und der Diversität der Darmbesiedelung (Painold et al., 2019). Eine dreimonatige Einnahme von Probiotika führte in vielen Fällen zu einer subjektiven Verbesserung des Magendarmempfindens (Reininghaus et al., 2020). Zudem verbesserten sich die kognitiven Fertigkeiten sowie eine Grübelneigung (Reininghaus et al., 2018). Vermutlich sind Geschlechtsunterschiede in der Darmdurchlässigkeit relevant (Maget et al., 2021).


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SMARTPHONE APP

In einer Befragung von Menschen mit bipolarer Erkrankung und ihren Angehörigen fanden wir, dass sie noch nicht ausreichend (früh) erkennen, wann erste Anzeichen einer erneuten Krankheitsepisode auftreten und diesbezüglich eine technologische Unterstützung für sinnvoll erachten und diese auch nutzen würden (Fellendorf et al., 2021). In weiterer Folge haben wir in Zusammenarbeit mit meemo-tec die Smartphone-App UP! untersucht und fanden bisher sowohl eine gute Integrierbarkeit in den Alltag als auch eine gute Aussagekraft der durch die App gemessenen Schlafenszeiten (Fellendorf et al., 2021).


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BIOLOGISCHE HINTERGRÜNDE

Zum aktuellen Zeitpunkt geht die Wissenschaft davon aus, dass eine permanente, sehr leichte Entzündung in der Entstehung und Symptomen der bipolaren Störung involviert ist. Ein routinemäßig bestimmter Entzündungsblutwert, das CRP ist mit Anzahl von Krankheitsepisoden (Queissner et al., 2018) sowie der kognitiven Flexibilität verbunden (Dalkner et al., 2020).

Ein Schwerpunkt unserer Bipolar-Forschungsgruppe ist die Untersuchung des Tryptophan-Stoffwechsels. Tryptophan ist einerseits der Vorläufer von Serotonin, was weiter zu Melatonin verstoffwechselt wird und andererseits von Kynurenin. Menschen mit bipolarer Erkrankung haben eine gesteigerte Verstoffwechslung von Tryptophan zu dem Kynureninweg, was eng mit Entzündungsprozessen zusammenhängt und weitere Einflüsse auf Stimmung, Schlaf und Denken hat (Reininghaus et al.,2014; Fellendorf et al., 2022). Depressive Symptomatik ist mit einer erniedrigten Synthese von der neurotrotektiven Kynureninsäure und manische Zustände mit einer generell erhöhten Entzündung verbunden (Maget et al., 2020). Eine Veränderung der Werte wurde im Langzeitverlauf jedoch nicht gefunden (Fellendorf et al., 2021). Möglicherweise ist diese Kaskade sowie weitere entzündliche Prozesse auch mit dem klinischen Ansprechen auf die medikamentöse Therapie, insbesondere eine Lithiumtherapie verbunden (Fellendorf et al., 2022; Queissner et al., 2021). Der Abbau von Kynurenin hin zu nervenschädigenden Produkten im Vergleich zu nervenprotektiven Produkten ist bei der bipolarer Erkrankung im Vergleich zu Gesunden erhöht (Birner et al., 2017) und mit einer schlechteren Gedächtnisleistung assoziiert (Platzer et al., 2017).

Diese Entzündungsprozesse sind vermutlich auch in dem erhöhten Risiko an Übergewicht und damit verbundenen körperlichen Folgeerkrankungen zu leiden involviert (Lackner et al., 2015; Liebing et al., 2023; Mangge et al., 2019). Übergewicht und insbesondere das Metabolische Syndrom (Übergewicht, Bluthochdruck, Zucken- und Fettstoffwechselstörung) ist mit schlechteren kognitiven Funktionen verbunden (Lackner et al., 2015; Dalkner et al., 2021), wobei insbesondere stammbetontes („Apfelform“) eine Rolle spielen dürfte (Reininghaus B et al., 2022). Es wurde gefunden, dass ein erhöhter body mass index eine Verschlechterung in der Gedächtnisleistung über ein Jahre vorhersagen kann (Dalkner et al., 2021). Regelmäßiger Sport wirkt sich zumindest bei Frauen positiv auf die kognitive Funktion aus (Fellendorf et al., 2017). Im Vergleich zu Übergewichtigen haben Normalgewichtige Menschen mit bipolarer Erkrankung häufiger Suizidale Gedanken (Stenzel et al., 2022).

Des Weiteren zeigte sich ein Zusammenhang des ‚Serum Neurofilament light‘ als Marker für neuronale Schädigung und der Anzahl stattgehabter manischer Episoden (Queissner et al., 2023).

Menschen mit bipolarer Erkrankung, insbesondere Raucher*innen, berichteten ein größeres Verlangen nach fettigen Speisen und Fast Food als gesunde Kontrollen. Hierbei spielen das „Hunger“-Hormon Ghrelin sowie bestimmte Medikamente wichtige Rollen (Platzer et al., 2020). In Subanalysen wurden Geschlechtsunterschiede gefunden sowie Zusammenhänge von Kohlenhydrat Verlangen und dem Tryptophan-Kynurenin Stoffwechsel (Dalkner et al., 2018). Adiponektin ist ein Hormon, das im Fettstoffwechsel und somit für körperliche Begleiterkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Es wurden veränderte Werte bei bipolaren Menschen sowie zwischen depressiven und euthymen Episoden gefunden (Platzer et al., 2019).

Die Forschung lieferte bisher unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich des Vitamin D Stoffwechsels bei der bipolaren Erkrankung. In unserer Stichprobe zeigte sich kein Unterschied in den Vitamin D Werten zwischen Menschen mit bipolarer Erkrankung und psychisch gesunden Personen (Späth et al. 2023). Zudem wurde kein Zusammenhang zwischen Vitamin D Werten und kognitiven Fertigkeiten gefunden (Leser et al., 2023).

Im EEG zeigte sich eine reduzierte Aktivität im temporalen Kortex, was möglicherweise mit Einschränkungen der Exekutivfunktionen zusammenhängen könnte (Painold et al., 2020). Im Gehirn wurden bei Menschen mit bipolarer Erkrankung mehr „white matter lesions“ gefunden, was bei Männern mit der Krankheitsphasenanzahl zusammenhing (Birner et al., 2015).

Medikation, insbesondere Lithium hat einen Effekt auf die graue und weiße Gehirnsubstanz und vermutlich einen positiven Effekt auf Nervenzellneubildung (Hamm et al., 2019). In unseren Bildgebungsuntersuchungen wurde gezeigt, dass die Einnahme von Antipsychotika mit einem reduzierten normalisierten Volumen der grauen Masse des Gehirns verbunden ist (Birner et al., 2020).

WEITERE PUBLIKATIONEN

Ein großes Anliegen unseres Teams ist es junge Kolleg*innen für das wissenschaftliche Arbeiten in der Psychiatrie zu begeistern und sie daher im Rahmen von Praktika während dem Studium und bei ihren Abschlussarbeiten im Medizin- oder Psychologiestudium zu betreuen. So sind bereits viele Diplom-, Bachelor-, und Masterarbeiten mit spannenden Ergebnissen entstanden. Diese sind im Forschungsportal unter: Betreute Diplomarbeiten und Dissertationen abrufbar.