Psychiatrie

Die Klinische Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin übernimmt mit einem eigenen "Glaubenslabor", dem Credition LAB eine Vorreiterrolle im Forschungsfeld Credition Research.

Das Credition Lab ist ein Forschungslabor, das sich mit der Theorie von Creditionen beschäftigt. Im Rahmen eines interdisziplinäres Konzept, das die kognitiven Prozesse hinter Glaubensbildungen (belief formation) untersucht, geht es um die Erforschung dessen, wie Menschen Überzeugungen formen, bewerten und verändern.

Was bedeutet nun Credition?

Der Terminus Credition ist vom Lateinischen credere abgeleitet und Credere bedeutet „glauben“.

Der Begriff „Credition“ ist nach dem gleichen Muster gebildet wie „Emotion“ oder „Kognition“. Mit „Credition“ wird jene zentrale Funktion des Gehirns bezeichnet, die den Glauben erzeugt. „Creditionen“ beschreiben Prozesse, die Glauben entstehen lassen, wobei diese hauptsächlich unbewusst (subliminal) ablaufen. Creditionen (pl.) sind Fähigkeiten, die wir täglich einsetzen und sie beruhen auf einer Funktion des Gehirns, die jenen Glauben hervor, denen wir in unserem Handeln folgen. Ob Prüfungsvorbereitung, Beziehung, Ernährung oder Berufswahl - wir glauben viel öfter als wir glauben.

Typische Forschungsfragen eines Credition Labs:

  • Wie entstehen Überzeugungen und wie beeinflussen sie unser Denken und Verhalten?
  • Welche neurobiologischen und psychologischen Mechanismen stecken hinter Glaubensprozessen?
  • Wie können Überzeugungen durch Erfahrungen, Emotionen oder soziale Einflüsse verändert werden?
  • Welche Rolle spielen kognitive Verzerrungen bei der Bildung von Überzeugungen?
  • Wie hängen Glaubensbildung und Entscheidungsfindung zusammen?

Die Creditionenforschung wurde 2011 an der Karl-Franzens Universität Graz etabliert und von Anfang an in Kooperation mit der Neurologischen Klinik der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf entwickelt. Seither hat sich ein breit gefächertes Credition Research Netzwerk gebildet, in dem weltweit Wissenschafter*innen aus verschiedenen Universitäten zusammenarbeiten.

Nina Dalkner

Das CreditionLab erforscht das Phänomen des Glaubens in der Metakognitionsforschung. Mithilfe eines neurowissenschaftlich fundierten Prozessmodells analysieren wir dessen Einfluss auf die Entwicklung von Glaubensvorstellungen. Bei unseren Patient*innen kann Glaube eine positive therapeutische Relevanz aufweisen.

Nina Dalkner, Leiterin des CreditionLab an der Med Uni Graz

Creditionen als Einstellungen und Werthaltungen

Bestimmen Creditionen unser Handeln?

Ja. Creditionen bestimmen nachhaltig unser Handeln. Mit Creditionen werden nämlich die Vorgänge bezeichnet, die Glauben entstehen lassen. Sie laufen vornehmlich unbewusst (subliminal) ab. Dennoch bestimmen sie nachhaltig unser Handeln. Werden uns die Einstellungen und Hal­tungen bewusst, die durch den Ablauf von Creditionen hervorgebracht werden, dann können sie als „Glaube, dass …“ oder „Glaube an …“ erfasst und sprachlich ausgedrückt werden.  

 

Wie kann der Ablauf von Creditionen dargestellt werden?

Creditionen sind Vorgänge im Gehirn, die nicht direkt sichtbar sind. Wie können sie trotzdem dargestellt werden? Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten und dementsprechend zwei verschiedene, allerdings eng zusammengehörende Modelle:

  1. Das Neurale Creditionen-Model: Damit wird der Ablauf neurophysiologischer Vorgänge dargestellt.
  2. Das Kommunikationsmodell Credition:Dieses wird verwendet, wenn man in einem Gespräch über die jene Vorgänge reden möchte, die bei uns Menschen Glauben hervorbringen oder darüber, welchen Glauben sie im bisherigen Leben hervorgebracht haben.

Welchen medizinischen Nutzen haben die Creditionen-Modelle?

  1. Für den medizinischen Bereich wird mithilfe des Neuralen Creditionen-Models etwa untersucht, wie Beeinträchtigungen beim Ablauf von Creditionen erkannt werden können und auf welche Weise man darauf medizinisch angemessen reagieren kann.
  2. Im Bereich medizinischer Behandlung spielt Glaube häufig eine Rolle, zum Beispiel, wenn mit Patient:innen oder deren Angehörigen über Risken und Chancen von Therapiemaßnahmen gesprochen wird. Mithilfe des Kommunikationsmodells Credition können Zweifel und Unsicherheiten präziser artikuliert oder die Entwicklung von Zukunftsperspektiven erleichtert werden. Das Kommunikationsmodell Credition kann auch helfen, Ressourcen oder Defizite bewusstzumachen. Auf der Basis des Kommunikationsmodells Credition lassen sich Glaubensinhalte in Worte fassen.

Haben Creditionen etwas mit Religion zu tun?

Nein.Creditionen sind biologische Vorgänge und haben nichts mit Religion zu tun. Creditionen sind allerdings beteiligt, wenn religiöser Glaube entsteht. Religiöser Glaube entsteht immer dann, wenn jemand seine individuelle Religiositätunter Bezug auf eine Religion ausprägt. Bei der Ausprägung menschlicher Religiosität spielt eine zentrale Rolle, in welcher Weise die Bezugnahme auf eine Religion erfolgt. Die individuellen Erscheinungsformen von Religiosität können selbst dann weit auseinanderliegen, wenn Menschen sich auf die gleiche Religion beziehen. Creditionen sind daran beteiligt, auf welche Weise Individuen ihre Religiosität ausprägen.